Einleitung
Das letzte Kapitel - Lüneburg zwischen Krieg und Frieden
Audio- und Filmdokumente, Zeitzeugenberichte, Fotos und Texte erzählen auf den folgenden Seiten von den Ereignissen in der einstigen Gauhauptstadt im Jahr 1945.
Foto: Luftaufnahme von Lüneburg 1945. Quelle: Richard Harrison.
Lüneburg im Frühjahr 1945
Viele Dörfer und Städte liegen in Schutt und Asche. Bei den Luftangriffen vom 22. Februar 1945 wird auch Lüneburg schwer getroffen. Ein zweiter verheerender Angriff lässt nicht lange auf sich warten...
Karte: Vorstoß der alliierten Streitkräfte mit dem Ziel Ostsee. Quelle: Aus Pless, "Lüneburg 45".
Die Bombenangriffe vom 07. April 1945
07. April 1945Die Bombenangriffe vom 07. April 1945
Video: Bombardierung Lüneburgs. Quelle: Ausschnitt aus "Civil Affairs In Germany", National Archives and Records Administration.
Zeitzeugen berichten
Die Lüneburgerinnen Grit Hartkopf und Bärbel Aßmann berichten von ihren Erlebnissen während des Bombenhagels am 07. April 1945.
07. April 1945Das Sterben auf Gleis 31
Nach den Angriffen herrscht auf dem Bahnhofsgelände Chaos. 72 Häftlinge sollen bereits bei der Ankunft in Lüneburg tot gewesen sein. Jepsen lässt rund 140 Männer ins Konzentrationslager Bergen-Belsen bringen. Mindestens 75 weitere Menschen werden zusammengetrieben, ermordet und im Tiergarten verscharrt. Keiner sollte je merken, dass sie nicht durch die Bombenangriffe ums Leben kamen.
Wenige Wochen später erfahren die englischen Besatzer von der Gräueltat. Sie holen ehemalige Nazis zusammen und lassen durch sie die Leichen bergen, umbetten und würdig bestatten. Eine Identifizierung ist aufgrund der Verwesung schwierig.
1951 wird das Grab erneut geöffnet und die Leichen untersucht. Der ehemalige Lüneburger Soldat Manfred Messer hat die Untersuchungsprotokolle ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass die meisten Häftlinge mit Gewehrkolben erschlagen wurden. Denn die Schädel sind zertrümmert.
Im Herbst 1946 verurteilt das Landgericht Lüneburg Jepsen zu lebenslanger Haft. Wenige Monate später verhängen Hamburger Richter für seine Verbrechen im Außenkommando Wilhelmshafen die Todesstrafe. Jepsen wird im Juni 1947 hingerichtet.
Foto: Ehemalige Nazis führen die Exhumierung der ermordeten KZ-Häftlinge im Tiergarten durch. Quelle: Repro, Michael Behns.
Der Einmarsch der Engländer
18. April 1945"Lüneburg wird nicht verteidigt"
Foto: Stab am Gefechtsstand des Kampfkommandanten auf Gut Schnellenberg um Oberstleutnant Helmuth von Bülow (3. v.r.). Quelle: Aus Pless, "Lüneburg 45".
18. April 1945Der Einmarsch der Engländer
Diese verlangen zu allererst Quartiere. Viele Lüneburger müssen mit einer Frist von höchstens zwei Stunden ihre Häuser verlassen, die von den Briten beschlagnahmt werden. Bei anderen Familien bedienen sie sich an Lebensmitteln, Sachgütern und Wertgegenständen. In vielen Fällen sei es jedoch human abgelaufen, erzählen Zeitzeugen. Ab 19.30 Uhr herrscht Ausgehverbot für alle Männer, die sämtliche Waffen, aber auch Fotoapparate, Kompasse und Landkarten abgeben müssen. Unmittelbar erfolgen auch die ersten Verhaftungen von Nationalsozialisten. Doch: Die Zeit des Luftalarms und der Angst vor Bomben ist damit in Lüneburg beendet.
Foto: Vorstoß der Engländer. Quelle: Aus Pless, "Lüneburg 45".
Der Kampf um den Landkreis
Nach Bardowick, Ochtmissen, Vögelsen und Scharnebeck marschieren die Engländer über die Dörfer weiter Richtung Bleckede und Lauenburg. Am 20. April 1945 sprengen deutsche Truppen die Brücke bei Hohnstorf und ziehen sich auf die Schleswig-Holsteinische Seite der Elbe zurück. Von dort aus schießen sie auf die Briten in Hohnstorf, Hittbergen und Sassendorf.
Ein ähnliches Szenario zeigt sich etwas weiter stromaufwärts bei Bleckede und Neuhaus. In einem Kampf Haus um Haus nehmen die Briten am 22. April 1945 Bleckede ein. Die Bilanz: 50 gefallene deutsche und 17 englische Soldaten, 10 tote Zivilisten.
Aus Angst vor einem weiteren Gegenangriff müssen rund 20.000 Menschen ihre Dörfer verlassen. Sie kommen bei Bekannten unter oder kampieren in den Wäldern der Göhrde. Im Mai dürfen viele von ihnen zurückkehren.
Foto: Ein britischer Soldat schaut auf die gesprengte Brücke bei Hohnstorf. Quelle: Aus Pless, "Lüneburg 45".
Der Krieg stirbt in Wendisch Evern
03. Mai 1945Der Krieg ist zu Ende
Montgomery fordert die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Truppen in Holland, Nordwestdeutschland und Dänemark, ansonsten werde der Krieg fortgeführt. Er gibt den Deutschen einen Tag Zeit für ihre Entscheidung. Die überbringen dem neuen Staatsoberhaupt Karl Dönitz die englische Forderung. Wenige Tage zuvor, am 30. April 1945 hat sich Adolf Hitler in seinem Berliner Bunker das Leben genommen. Sein treuer Anhänger Dönitz will zunächst weiterkämpfen, muss jedoch erkennen, dass die deutsche Wehrmacht keine Chance mehr hat.
Foto: Die Möllering-Villa in Häcklingen heute. Quelle: Hans-Joachim Boldt.
08. Mai 1945Engländer verkünden den Lüneburgern das Kriegsende
Oberst Stansfeld, neuer Stadtkommandant von Lüneburg, tritt am 08. Mai mit seinem Adjutanten, Bürgermeister Olvermann und Oberbürgermeister Drape auf den Balkon des Rathauses und verkündet den Bürgern über Lautsprecher das Ende des Krieges und die Übernahme der britischen Militärverwaltung. Historische Quellen machen unterschiedliche Angaben darüber, ob und wie viel Publikum zu diesem Ereignis auf dem Marktplatz zusammenkam. Gut möglich wäre, dass die Lüneburger an diesem Tag andere Probleme hatten als sich die Proklamation anzuhören.
Foto: Militärbefehlshaber Oberst Stansfeld gibt vom Balkon unter der Rathausuhr die deutsche Kapitulation bekannt. Quelle: "Welt im Film 2/1945", Filmothek Deutsches Bundesarchiv.
08. Mai 1945Live from Lüneburg
"This is Bill Downs speaking from Lüneburg. This V-Day has started out very quietly here in Lüneburg on the British sector. The convoys continue to roll through the narrow streets, and the long, long lines of surrendering Germans and liberated Allied war prisoners and slave laborers stream back to the rear areas. The people of Lüneburg are going about their business as if it was just another day. It may be V-Day for the Allies, but it's Surrender Day for the Germans.
The people I saw this morning looked like they're trying to ignore the whole thing. The shops are opening up, and already the long lines at the food stores are collecting. Ex-Nazi Hausfrauen with their baskets and string bags beginning a life of queuing that has plagued all of Europe since the Nazis went on the warpath.
It's a beautiful day here; the weatherman could not have planned more perfect weather for a surrender celebration. But right now there's very little celebrating. The British are a reserved people, and out of propriety for the French and American and Russian forces still fighting, they did no dancing in the streets when Montgomery signed the surrender terms that put the British Second and the Canadian First Armies out of the war last Thursday.
But no doubt tonight the bottles of French champagne that we find in every rich German's wine cellar will make their appearance. But meanwhile the army is too busy to celebrate Victory in Europe Day. The millions of German soldiers must be kept moving to the concentration areas, the liberated Allied prisoners must be evacuated, and somehow the slave laborers who looked less for help must be housed and fed. But I have an idea that tonight there'll be a hot time in Lüneburg. This is Bill Downs with the British returning you to CBS in New York."
Quelle: Kevin Downs.
Wie geht es weiter?
Tausche Zigaretten gegen Kartoffeln
Auf dem Land gehen sie Nahrungsmittel eintauschen, "hamstern". Für Papiermark gibt es fast nichts mehr, dafür blüht der Schwarzmarkt. Zigaretten, Schmuck oder Radios werden gegen Kartoffeln, Fleischkonserven oder Gemüse getauscht. Flüchtlinge, Ausgebombte, Evakuierte, befreite Häftlinge oder einfach nur Einheimische, die von den Besatzern vor die Tür gesetzt wurden: Sie alle kämpfen auch nach dem Ende des Krieges noch ums Überleben.
Währenddessen platzt Lüneburg aus allen Nähten. Im August 1945 leben mit Flüchtlingen und Besatzern rund 82.000 Menschen in der Stadt. Eine Zeit des ständigen Anstehens und Wartens: Für eine Arbeitskarte, einen Behördenstempel oder einen Topf Wurstbrühe.
Foto: Hauptsache, die Räder rollen. Quelle: Aus Pless, "Lüneburg 45".
17. September bis 16. November 1945Der Bergen-Belsen-Prozess in der MTV-Halle
Während die Befreiung in der deutschen Bevölkerung weniger Aufmerksamkeit erfährt, ist das Entsetzen in den Siegerländern und der Ruf nach exemplarischer Bestrafung der Schuldigen groß. Ein Erlaß der britischen Krone weist Feldmarschall Montgomery an, in Lüneburg einen Militärgerichtshof einzurichten. So beginnt am 17. September 1945, fast zwei Jahrzehnte vor dem Auschwitzprozess von Frankfurt, in der alten MTV-Halle am Handwerkerplatz der erste NS-Prozess der Geschichte gegen ehemalige Diensthabende des Konzentrationslagers Bergen-Belsen. Die Anklage stützt sich auf das internationale Völkerrecht: "Die Angeklagten haben die Gesetze des Rechts und des Krieges verletzt, eine Anzahl namentlich bekannte und zahlreiche ungenannte Angehörige alliierter Länder misshandelt und deren Tod verursacht." 11 SS-Männer und -Aufseherinnen werden zum Tode, 19 weitere zu Haftstrafen verurteilt.
Foto: Angeklagte (hintere Reihen) und ihre Pflichtverteidiger (vorne) im Prozesssaal. Die Halle ist nach oben hin mit einem Gitter aus Drahtgeflecht vor den Zuschauern auf der Galerie gesichert. Quelle: Aus Pless, "Lüneburg 45".
Die Heimkehrer
Lüneburgerin Ingrid Goldschmidt, zum Kriegsende 11 Jahre alt, schildert im Interview den Moment, in dem ihre Vater heimkehrte und seine Familie wieder in die Arme schloss.
Foto: Ingrid Goldschmidt, geborene Püschel, lebte mit ihren Eltern im Eckhaus am Markt/Ecke Bäckerstraße. Quelle: Ingrid Goldschmidt.
Credits
Credits
Unterstützt von der Sparkassenstiftung Lüneburg.
Redaktion und Gestaltung
Katja Grundmann
Text und Recherche
Katja Grundmann, Carlo Eggeling
Archiv
Heidi Staack (LZ-Archiv), Stadtarchiv Lüneburg
Fotos und Reproduktionen
Josef Makovec, Richard Harrison, Michael Behns, weitere siehe Quellenangaben
Videos
Katja Grundmann, Lennart Hillmann, weitere siehe Quellenangaben