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Der lange Weg zurück
Verfolgen Sie nach der kurzen Einleitung in Kapitel 1 nun den Weg der Neuhauser zurück in "das Land ihrer Väter". Scrollen Sie sich durch die Reportage, klicken Sie sich über die Seitennavigation am rechten Bildschirmrand durch die Jahrzehnte oder springen Sie über die Kapitel-Startseiten unten direkt zu den einzelnen Stationen der Geschichte.
Hoffnung
Zum AnfangVom Königreich zur SperrzoneChronik der Ereignisse 1814 - 1989
1866: Preußen annektiert Hannover als Provinz Hannover und gliedert das Amt Neuhaus in den Kreis Bleckede ein.
1932: Der Kreis Bleckede wird aufgelöst und in den Landkreis Lüneburg eingegliedert.
1945: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges übergibt die britische Besatzungsmacht das Gebiet an die sowjetischen Alliierten. Amt Neuhaus wird aus dem Kreis Lüneburg ausgegliedert und dem Kreis Hagenow angeschlossen.
1949: Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).
1952: Einrichtung des Sperrgebiets entlang der Elbe zur Verhinderung eines "ungesetzlichen Grenzübertritts". Ein 500-Meter-Sperrstreifen und die dahinter liegende 5-Kilometer-Sperrzone dürfen nur unter bestimmen Voraussetzungen betreten werden. Viele Menschen im Amt Neuhaus wohnen genau in jener Sperrzone.
1952 - 1975: 350 Frauen, Männer und Kinder aus dem Amt Neuhaus werden in mehreren Wellen der Zwangsaussiedlung ihrer Heimat beraubt. Innerhalb 48 Stunden müssen sie ihren Wohnsitz verlassen und dürfen nicht zurückkehren.
1989: Die Mauer fällt.
So veränderten sich die Grenzen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Ross statt BüffelChronik der Ereignisse 1990 - 1992
Juli 1990: Die acht Gemeindevertretungen des Amt Neuhaus fassen einstimmig den Beschluss zur Rückgliederung und überreichen wenige Wochen später die "offizielle Willenserklärung" des Amt Neuhaus an den Landkreis Lüneburg.
September 1990: Der Kreistag Lüneburg beschließt, die Bestrebungen der Gemeinde Amt Neuhaus auf Wiedereingliederung in das Bundesland Niedersachsen zu unterstützen.
Oktober 1990: Deutsche Wiedervereinigung - Das Gebiet der ehemaligen DDR wird Teil der Bundesrepublik Deutschland.
Erstmals reist eine Neuhauser Delegation aus Vertretern von CDU, SPD und FDP nach Hannover und legt Innenminister Glogowski ihre Standpunkte dar. Es wird klar: Da Amt Neuhaus weniger als 10.000 Einwohner hat, genügt ein Staatsvertrag für die Umgliederung.
November 1990: Der Kreistag Hagenow beschließt, die Neuhauser in ihrem Wunsch auf Rückgliederung zu unterstützen.
April 1991: Alfred Gomolka, Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, erklärt sich bereit, über die Umgliederung des Amtes per Staatsvertrag zu verhandeln.
Mai 1991: Ernüchterung bei einem Besuch von Innenminister Gerhard Glogowski im Amt Neuhaus: Die Verhandlungen zum Staatsvertrag werden sich bis mindestens Sommer 1992 hinziehen.
Juni 1991: Verzweifelter Versuch des Lüneburger Landrats Wilhelm Martens: Er schickt einen eigenen Entwurf für einen Staatsvertrag nach Hannover und Schwerin, vier Paragraphen auf kaum mehr als einer Din-A4-Seite.
November 1991: Die Gemeindevertreter beschließen endgültig einen "Vertrag zur Errichtung einer Verwaltungsgemeinschaft" für das Amt Neuhaus.
Januar 1992: Gläubige feiern die kirchliche Rückgliederung des Amt Neuhaus in den Kirchenkreis Bleckede der Landeskirche Hannover. Bei der Feier drängen Bürger nun auch auf die politische Rückkehr.
Juli 1992: Die Rückgliederung wird in der Bevölkerung immer kontroverser diskutiert, Zweifel und Ängste entstehen. Die Gemeindevertreter beschließen deshalb, den Prozess auszusetzen und eine Volksbefragung durchzuführen. Doch dazu kommt es nie, im Dezember 1992 hebt der Gemeinderat Neuhaus den Beschluss wieder auf.
Audio: Klaus Rintelen, ehem. Bürgermeister von Neuhaus
"Wir haben keine Volksbefragung gemacht. Und das hatte seinen Grund."
Rückgliederung ohne Volksbefragung
In puncto Rückgliederung war ihm eine Sache besonders wichtig: Die alt eingesessenen Neuhauser sollten über die Rückkehr nach Niedersachsen bestimmen, nicht die Zugezogenen. Deshalb stimmte er seinerzeit gegen eine Befragung der Bevölkerung. Näheres berichtet er im Interview, das die Journalistin Angelika Hoffmann aus Konau 2014 mit ihm aufgezeichnet hat.
Rückkehr
Zum AnfangDarüber stritten die Länder
Übernahme von Verwaltungsvermögen:
Das Verwaltungsvermögen umfasste Geräte und Einrichtungen der Landesforstverwaltung, das Lagerhaus für den Hochwasserschutz bei Tripkau und die Naturschutzstation Tripkau. Für Letztere wird 1993 im Staatsvertrag eine Entschädigungssumme von insgesamt 396.000 Mark aufgerufen.
Finanzausgleich:
Als Beitrittsgebiet der BRD hatte das Amt Neuhaus Anspruch auf Mittel aus dem "Fonds Deutsche Einheit". Diese Gelder sollten nicht verfallen, sobald Amt Neuhaus Niedersachsen beitritt.
Der Staatsvertrag regelte die weitere Zahlung und Weiterleitung der Zuweisungen aus dem Fonds Deutsche Einheit von Mecklenburg-Vorpommern an das Land Niedersachsen.
Landesbedienstete:
Obwohl Schwerin im Amt Neuhaus bereits beträchtlich Personal abgebaut hatte, wollte Niedersachsen zunächst keine Lehrkräfte von Mecklenburg-Vorpommern übernehmen. Auch von den Forstmitarbeitern sollten lediglich fünf Arbeitskräfte im niedersächsischen Landesdienst gehalten werden, vorausgesetzt, die circa 100 Hektar Forstfläche gehen in das niedersächsische Eigentum über.
Letztendlich verpflichtete sich Niedersachsen im Staatsvertrag zur Übernahme von 41 Lehrkräften, sechs Bediensteten der Wasserwirtschaftsverwaltung, zwei Bediensteten der Naturschutzverwaltung, 15 Bediensteten der Straßenbauverwaltung und 39 Bediensteten aus der Forstverwaltung.
Landesgrenzen an der Elbe:
Ein wesentlicher Hinderungsgrund für die Einigung über die Umgliederung stellte lange Zeit die Grenzfrage dar: Mecklenburg-Vorpommern strebte das westliche Ufer als Grenzverlauf an, Niedersachsen die Strommitte. Die Frage blieb vom Staatsvertrag unberührt.
Naturschutz:
Mecklenburg-Vorpommern unterhielt in Tripkau eine Naturschutzstation für die Elbtalauen, die erst 2002 zum Biosphärenreservat erklärt wurde. Der Ort Tripkau ging mit dem Staatsvertrag nach Niedersachsen über, seit diesem Zeitpunkt wird die Naturschutzstation gemeinsam von beiden Ländern genutzt.
Umgliederungsgebiet:
Die genauen Grenzen des umzugliedernden Gebietes waren immer wieder Streitpunkt in den Verhandlungen. Die acht Gemeinden Dellien, Haar, Kaarßen, Neuhaus, Stapel, Sückau, Sumte und Tripkau galten für die Umgliederung als gesetzt. Über die Randgebiete Niendorf, Bohldamm, Neu Bleckede, Neu Wendischthun und Stiepelse wurde aufgrund unterschiedlicher geschichtlicher Zugehörigkeiten gehandelt. In Niendorf und Bohldamm kam es zu Bürgerbefragungen. 1993 gingen dann alle Gebietsteile nach Niedersachsen über.
"Es gibt keinen Landesteil in Niedersachsen, mit dem ich mich so viel beschäftigt habe, wie mit dem Amt Neuhaus - das vor allem noch gar keiner ist."
- Gerhard Glogowski, Nds. Innenminister, am 26. Mai 1992
Lang ersehnte HeimkehrChronik der Ereignisse 1993
29. Juni 1993: Gerhard Glogowski und sein mecklenburger Kollege Rudi Geil tauschen in Schwerin den "Staatsvertrag über die Umgliederung der Gemeinden im ehemaligen Amt Neuhaus nach Niedersachsen".
30. Juni 1993: Mit Inkrafttreten des Staatsvertrages kehrt das Amt Neuhaus nach Lüneburg zurück. Der Landkreis wächst um 6.100 Einwohner. Vier Neuhauser, darunter Hans Ebeling (CDU), ziehen in den Lüneburger Kreistag ein.
Video: Gerhard Glogowski, 1990 - 1998 Nds. Innenminister
Am 11. Oktober 1990 bekam Gerhard Glogowski in Hannover zum ersten Mal Besuch von einer Delegation aus dem Amt Neuhaus, die ihm ihren Wunsch der Rückgliederung vortrug. Von diesem Moment an machte er das Vorhaben zu seiner persönlichen Angelegenheit.
Ankommen
Zum AnfangSo veränderten sich die Grenzen nach der Rückgliederung.
Rundumerneuerung für das Amt
Fonds Deutscher Einheit
970 Mark pro Kopf pro Jahr standen den Neuhausern nach der Wende als ostdeutsche Gebietskörperschaft aus dem Fonds Deutsche Einheit zu, der die unterschiedliche Finanzkraft der alten und neuen Bundesländer ausgleichen sollte. Nach der Rückgliederung regelte der Staatsvertrag die Weiterleitung des Betrages an das Land Niedersachsen. In den vier Jahren bis 1994 erhielt das Amt Neuhaus etwa 24 Millionen Mark. Danach ging der Fonds im Länderfinanzausgleich auf.
Dorferneuerung
„In einem Rutsch wird fast das gesamte Amt Neuhaus mit seinen über 200 Quadratkilometern von der Dorferneuerung überzogen. [...] In diesem Ausmaß dürfte das einmalig in Deutschland sein“, sagte Bernhard Ortmanns, Bauamtleiter in Neuhaus, 1994 der LZ. Sporthallen und Schulen, Plätze oder Wohnhäuser konnten in den 1990er Jahren mit Hilfe der staatlichen Mittel aus dem Programm der Dorferneuerung saniert werden. Bei öffentlichen Vorhaben lag die Förderquote bei durchschnittlich 80 Prozent, private Projekte wurden mit rund 50 Prozent der Kosten unterstützt. Ziel war es, die unverwechselbaren Eigenarten der Region zu bewahren, so zum Beispiel die Gebäude der Grundschulen in Tripkau und Neuhaus, das Ensemble von Kirche und Schule in Kaarßen oder der Umbau des Neuhauser Krankenhauses zum heutigen Haus des Gastes. Insgesamt wurden zwischen 1994 und 2012 rund 19,6 Millionen Euro Fördermittel für 68 öffentliche und 1146 private Vorhaben an die niedersächsischen Gemeinden östlich der Elbe ausgezahlt.
Flurneuordnung
Rund zwei Dutzend Mitarbeiter schickte das Amt für Agrarstruktur aus Lüneburg 1993 ins Amt Neuhaus, um das gesamte Gebiet neu zu vermessen. Es ist "unser größtes Einzelvorhaben seit dem Bau des Elbe-Seitenkanals", sagte 1999 Behördenleiter Hartmut Trichterborn.
Ein Vorhaben, das bis heute andauert. Etwa die Hälfte der geplanten Maßnahmen zur Flurneuordnung im Amt Neuhaus konnten inzwischen umgesetzt werden, darunter der Neu- und Ausbau von 180 Kilometern Wirtschaftwegen, ökologische Maßnahmen oder die Neuordnung von Flächen und Flurstücken. Weitere Vorhaben sollen bis 2021 abgeschlossen werden. Seit 1992 flossen 34,7 Millionen Euro Fördergelder in die Flurneuordnung in den niedersächsischen Gebiete östlich der Elbe.
Unterstützung der Kirche
Nach der Rückgliederung floss zunächst eine Soforthilfe über 92.000 Mark an die fünf Kirchengemeinden des Amt Neuhaus, um schnell dringendste Maßnahmen finanzieren zu können. In den nachfolgenden Jahren investierte die Landeskriche Hannover dann mehrere Millionen Mark für die Sanierung der zehn Kirchen, Pfarrhäuser, Pfarrwitwenhäuser und Gemeindehäuser.
Ernüchterung
Zum AnfangZurück nach Mecklenburg?
Neuhaus sei durch die Rückgliederung zu einer Enklave geworden, die Elbe zu einer natürlichen Grenze, sagte er im November gegenüber Journalisten. Die Neuhauser sollten darüber abstimmen, ob sie wieder zurück nach Mecklenburg-Vorpommern wollen. Eine Rückkehr in den Kreis Ludwigslust-Parchim sei in vielen Punkten effizienter, so der gebürtige Neuhauser.
Politische Unterstützung erhielt Backhaus allein vom ehrenamtlichen Bürgermeister des Amt Neuhaus, Rudi Weinmann (SPD). Über mehrere Wochen demonstrierten Bürger daraufhin jeden Montag vor dem Neuhauser Rathaus und forderten singend Weinmanns Abdankung:
"Einmal hin und einmal her, so hätt's der Backhaus gerne.
Zurück soll'n wir nach Mecklenburg, bestimmt er aus der Ferne. [...]
Doch gibt es einen Staatsvertrag, das sollt' auch Weinmann wissen.
Nach Mecklenburg geht's nicht zurück, das wär auch arg besch...eiden."
(Text: Johanna Lange)
Der Norddeutsche Rundfunk beauftragte ein Meinungsforschungsinstitut, das eine repräsentative Befragung mit 503 wahlberechtigten Neuhauser Bürgern aller Altersklassen durchführte. Zwei Drittel gaben an, mit der aktuellen Situation zufrieden zu sein, da sich viele Hoffnungen erfüllt hätten. Knapp jeder Fünfte versprach sich mehr von einem erneuten Länderwechsel, rund 14 Prozent trafen keine klare Aussage.
Backhaus ruderte derweilen zurück. Das seien alles Fragen, die die Region klären müsse, sagte er gegenüber der LZ. Im Februar 2003 verlor Weinmann in Amt Neuhaus die Stichwahl gegen den CDU-Kandidaten Dieter Hublitz, der erster hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde wurde.
Foto: Till Backhaus im Jahr 2014.
Oft versprochen, aber nie gebaut: die ElbbrückeDie Chronik einer unendlichen Geschichte
28. November 1990: Im Zusammenhang mit Plänen für eine Umgehungsstraße bei Dahlenburg diskutiert der Ausschuss für Fremdenverkehr und Wirtschaft der Gemeinde Neu Darchau den Bau einer Elbbrücke in Neu Darchau.
10. April 1992: Das Bundesverkehrsministerium in Bonn stuft eine Brücke bei Neu Darchau als aussichtslos ein.
23. September 1992: Die niedersächsische Landesregierung meldet die Brücke im Bundesverkehrswegeplan an. „Wir sehen darin eine Perspektive für das Zusammenwachsen des Amtes Neuhaus und des Landkreises Lüneburg“, sagt der Landtagsabgeordnete und Lüneburgs Landrat Wolfgang Schurreit (SPD). Der Brückenbau soll zu diesem Zeitpunkt rund 62 Millionen Mark kosten.
28. Juni 1993: Um die angestrebte Elbquerung zum Amt Neuhaus bei Neu Darchau hat sich ein heftiger Politiker-Streit entsponnen.
Im Staatsvertrag zur Rückgliederung der Gemeinde Amt Neuhaus, der einen Tag später unterzeichnet wird, findet der Bau einer Brücke keine Berücksichtigung.
20. September 1993: Bei seinem ersten Besuch im Amt Neuhaus bringt Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) keine Versprechen für eine Elbbrücke mit. "Das Geld ist in den nächsten zehn Jahren nicht da.“, so Schröder.
9. Oktober 1995: Der Kreisausschuss beschließt, in den Etat 1996 Mittel für die Vorplanung einer Elbbrücke bei Neu Darchau einzubringen. Der Kreis Lüchow-Dannenberg soll sich mit rund 550.000 Mark an den Kosten beteiligen.
1. April 1996: Das niedersächsische Verkehrsministerium stellt klar, dass das Land Niedersachsen kein Geld für eine Brücke bei Neu Darchau zahlen wird.
15. Januar 1997: Abgeordnete von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich dafür aus, die für die Brücke vorgesehenen Planungskosten von 250.000 Mark im Kreishaushalt 1997 zu streichen. Der Kreis Lüchow-Dannenberg solle EU-Fördermittel beantragen, auf die der Landkreis Lüneburg keinen Zugriff hat. „Wir sind für die Brücke, aber aus EU-Mitteln finanziert“, so Uwe Inselmann (SPD).
20. Juni 1998: Lüneburgs Landrat Franz Fietz (CDU) rechnet mit finanziellen Mitteln für die Brücke aus dem Bundesverkehrsministerium und der EU. Geschätzte Baukosten der Brücke: 42 bis 60 Millionen Mark.
Februar 2002: Für den Straßenbauausschuss des Kreises Lüneburg hat die Elbüberquerung bei Neu Darchau absolute Priorität. Bis 2006 soll sie fertig gestellt werden. Die Gesamtkosten sind mit 23,67 Millionen Euro angesetzt, der Anteil des Kreises soll sich auf 5,92 Millionen Euro belaufen. Das Land Niedersachsen hat Finanzhilfe zugesagt.
20. November 2003: Die "Initiative Elbbrücke Amt Neuhaus", vor wenigen Monaten gegründet, überreicht Staatssekretär Joachim Werren (FDP) 4.283 Unterschriften für das Bauwerk von Bürgern aus dem Amt – plus 1.900 von Gästen und 257 aus Neu Darchau. Er bestimmt den Landkreis Lüneburg zur zuständigen Planfeststellungsbehörde für den Brückenneubau über die Elbe im Zuge der L232/K61.
22. Februar 2004: Mehr als 700 Bürger demonstrieren gegen die geplante Trassenführung der neuen Elbbrücke durch Neu Darchau. Die Kommune will notfalls klagen.
6. Januar 2005: Etwa 20 Träger öffentlicher Belange und 250 Privatpersonen erheben beim nicht öffentlichen Planfeststellungsverfahren Einwände und Anregungen.
22. März 2006: Der Landkreis Lüchow-Dannenberg, die Gemeinde Neu Darchau sowie vier Einzelpersonen klagen und bekommen vom Landgericht Lüneburg Recht: Der Planfeststellungsbeschluss des Landkreises Lüneburg ist rechtswidrig. Das Land hat seine Straßenbaulast für die Landesstraße 232 nicht korrekt auf den Landkreis Lüneburg übertragen. Der Bau der Brücke ist vorerst gestoppt, eine Revision nicht zulässig.
10. April 2008: Der neue Vorschlag aus Lüneburg, die Zufahrt zur Brücke nicht durch Neu Darchau zu führen, sondern eine Ortsumgehung auf Ständern zu bauen, stößt im Kreistag Lüchow-Dannenberg auf Gesprächsbereitschaft. Dadurch steigen jedoch auch die geschätzten Kosten um etwa 25 Prozent: von 30 auf etwa 38 Millionen Euro. Ministerpräsident Wulff (CDU) verspricht, sich für den Bau der Brücke einzusetzen, von dem das Land 80 Prozent der Kosten tragen soll.
Dezember 2008: Die Kreistage von Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Samtgemeinde Elbtalaue und schließlich auch Neu Darchau stimmen dem Bau der Brücke auf ihrem Gebiet zu. Ministerpräsident Wulff hat eine schriftliche Finanzierungszusage mit einer Förderquote von 75 Prozent getroffen.
16. April 2009: Auch linkselbisch gründet sich ein Unterstützerkreis für die Brücke: Der Förderkreis Elbbrücke Darchau-Neu Darchau.
20. Januar 2013: Bei einer Bürgerbefragung im Landkreis Lüneburg sprechen sich 49,5 Prozent der Wähler ohne Bedingung für den Bau der Elbbrücke aus. 22,4 Prozent stimmen für den Bau, wenn der Kostenanteil des Kreises nicht mehr als zehn Millionen Euro beträgt. 28,1 Prozent stimmten gegen die Brücke.
20. Juli 2015: Die geschätzten Gesamtkosten der Brücke sind inzwischen auf 58 Millionen Euro gestiegen, der Eigenanteil für den Landkreis Lüneburg auf 22,25 Millionen Euro. Mit 32 Ja- zu 24 Nein-Stimmen spricht sich der Lüneburger Kreistag mehrheitlich dafür aus, kein Planfeststellungsverfahren mehr für den Brückenbau in Neu Darchau zu betreiben.
10. April 2017: Der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann setzt beim Bau einer Elbbrücke auf eine norddeutsche Länderinitiative, die den Brückenbau als Infrastrukturprojekt der Deutschen Einheit gemeinsam mit dem Bund finanzieren könnte.
1. Mai 2018: Der Lüneburger Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) und Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann treffen bei einem Gespräch zur Brücke folgende Entscheidungen: Die Obergrenze bei den Baukosten von 45 Millionen Euro fällt weg, es wird mit Kosten bis zu 65 Millionen Euro gerechnet. Das Land steht zu seinen Zusagen, 75 Prozent der Bau- und Planungskosten zu übernehmen. Althusmann will sich im Bundesverkehrsministerium als auch bei bei der Schweriner Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) um weitere Zuschüsse bemühen.
Grafik: Mögliche Ansicht einer Elbbrücke zwischen Darchau und Neu Darchau.
Ausblick
Zum AnfangSonderregelungen für das Amt
Ärztliche Versorgung
Das Amt Neuhaus besitzt eine Rettungswache in Zeetze. Aufgrund der Größe des Gebiets können die Zeetzer Einsatzkräfte jedoch nicht alle Orte in den vorgeschriebenen 15 Minuten erreichen. Der Landkreis Lüneburg kooperiert deshalb mit den Nachbarlandkreisen Ludwigslust-Parchim und Lüchow-Dannenberg. Bei Bedarf fahren Rettungswagen aus Boizenburg, Lübtheen, Malliß und Dannenberg an. Ähnliches gilt für die notärztliche Versorgung, in der das Amt Neuhaus bei Bedarf von Boizenburg, Hagenow und Dannenberg mitversorgt wird.
Nahverkehr
Seit Dezember 2004 gehört der Landkreis Lüneburg in den Hamburger Verkehrsverbund (HVV), nicht jedoch das Amt Neuhaus. Wer beispielsweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Neuhaus nach Lüneburg fahren möchte, benötigt dafür drei Tickets: Einen Fahrschein für die Strecke bis zur Fähre, das Fähr-Ticket sowie einen weiteren Fahrschein für die Fahrt bis nach Lüneburg.
Öffentlicher Dienst
Das Amt Neuhaus ist Teil des so genannten "Beitrittsgebietes", das 1990 Teil der Bundesrepublik Deutschland wurde. Für dieses Gebiet gilt im öffentlichen Dienst auch heute noch ein anderer Tarifvertrag als im Rest von Deutschland. Während auf die Neuhauser der Vertrag für das Tarifgebiet Ost zutrifft, zählt für alle anderen Angestellten im Landkreis Lüneburg der Vertrag für das Tarifgebiet West. Sie unterscheiden sich zum Beispiel bei der Wochen-Arbeitszeit einer Vollzeit-Kraft: Während ein Mitarbeiter westlich der Elbe 39 Stunden arbeitet, gilt für Mitarbeiter östlich der Elbe die 40-Stunden-Woche.
Polizei
Die Polizeiinspektion Lüneburg ist in Neuhaus mit einer eigenen Dienststelle mit zwei Angestellten vertreten, die jedoch nicht rund um die Uhr besetzt ist. Bei Soforteinsätzen fahren deshalb Mitarbeiter aus Mecklenburg-Vorpommern den Einsatzort an und geben den Sachverhalt an die niedersächsischen Kollegen in Lüneburg, Lüchow und Dannenberg durch, die dann ggf. übernehmen.
Postleitzahl und Telefon
Die Neuhauser Postleitzahl 19273 und die Telefon-Vorwahl 038841 erinnern immer noch an die Zugehörigkeit zu Mecklenburg-Vorpommern. Das führe bei Handelsvertretern öfter zu Verwirrungen, berichtet Bürgermeisterin Grit Richter, und auch in der Bevölkerung gäbe es den Wunsch, eine Einheit mit dem Landkreis Lüneburg herzustellen. Einen entsprechenden Antrag hat die Gemeinde bereits zwei Mal gestellt, beide wurden jedoch abgelehnt.
Schule
Von aktuell 268 Oberschülern mit Wohnsitz im Amt Neuhaus besuchen 87 Kinder und Jugendliche Schulen westlich der Elbe, 116 gehen auf die Oberschule Neuhaus und 65 fahren zu den Schulen nach Boizenburg und Dömitz. Für Letztere gibt es ein Abkommen mit dem Nachbarlandkreis Parchim-Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern, an den der Landkreis Lüneburg im Schuljahr 2016/17 knapp 65.900 Euro Gastschulgeld gezahlt hat.
153 Grundschüler aus dem Amt Neuhaus besuchen bis auf ein Kind die Grundschulen in Tripkau und Neuhaus. 56 Berufsschüler pendeln zu den Berufsbildenden Schulen nach Lüneburg, zwei zum Beruflichen Bildungszentrum nach Parchim.
Steuern
Auch bei den Steuern greifen im Amt Neuhaus teilweise andere Regeln als im übrigen Landkreis Lüneburg, nämlich die Gesetze für das Beitrittsgebiet (s.o.). Das betrifft zum Beispiel die Grundsteuer. Während westlich der Elbe die Besitzer von land- und forstwirtschaftlichen Flächen die Grundsteuer (A) bezahlen, werden östlich der Elbe die Nutzer der Flächen zur Kasse gebeten. Da die Besitzverhältnisse im Beitrittsgebiet nach der Wende häufig nicht geklärt waren, war dies für die Kommunen der einfachere Weg, um schnell Steuern einziehen zu können.
25 Jahre Rückgliederung - eine Erfolgsgeschichte?
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Ausblick
Aber nicht alle Bürger im Amt teilen das Gefühl. Einige zweifeln bis heute an der Rückgliederung, haben resigniert, fühlen sich abgehängt. Nach zwei Seitenwechseln in 48 Jahren sind sie weder in Niedersachsen noch in Mecklenburg-Vorpommern so richtig zu Hause.
Doch so verschieden die Menschen, ihre Geschichten und Überzeugungen sind, so sehr stehen sie für ihre Heimat, für ihr Amt Neuhaus. Das hält zusammen und lässt die Neuhauser immer wieder zusammen kämpfen, inzwischen seit 25 Jahren für eine Elbbrücke und für eine bessere Anbindung an den Landkreis Lüneburg. Stück für Stück bewegt sich etwas, aktuell bei diesen Themen:
Elbbrücke: Mit Niedersachsens neuem Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) macht sich erneut ein Landespolitiker für die Elbbrücke stark. Er versicherte zuletzt, dass das Land zu seiner Zusage stehe, 75 Prozent der Bau- und Planungskosten zu übernehmen. Es solle umgehend Planungsgeld in Höhe von 700.000 Euro für die Brücke freigegeben werden, wenn der Landkreis das kommunale Bauvorhaben zügig voranbringt. Althusmann will sich außerdem um weitere Mittel aus dem Bundesverkehrsministerium und dem Land Mecklenburg-Vorpommern bemühen.
Fähre: Im April 2018 überraschte Landrat Manfred Nahrstedt die Besucher einer LZ-Diskussionsrunde zur Rückgliederung in Neuhaus mit einem Versprechen: Bis zum Ende seiner Amtszeit 2021 will er die Fährnutzung für die Bürger der Gemeinde Amt Neuhaus unentgeltlich machen. Nach und nach wolle er die Kosten auf Null bringen, eine erste Preissenkung möglichst schon bei den nächsten Haushaltsberatungen umsetzen.
Darüber hinaus gibt es Pläne, die in die Jahre gekommene Elbfähre "Amt Neuhaus" zu ersetzen.
Verkehrsverbund: Zum Fahrplanwechsel Mitte August 2018 wird das Amt Neuhaus in das Tarifgebiet des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) aufgenommen. Es wird dann möglich sein, ein Ticket für die Fahrt im gesamten HVV-Gebiet zu ziehen. Ob die HVV-Fahrscheine auch auf den Elbfähren gelten werden, versucht der Landkreis aktuell im Gespräch mit den Fähranbietern zu klären. Die Fährunternehmen würden dann einen entsprechenden Ausgleich bekommen. Auch das Lösen von Einzeltickets soll weiterhin möglich sein.
Credits
Katja Grundmann und Anna Sprockhoff
Grafik und Recherche: Klaus Bohlmann
Archiv: Heidi Staack
Video und Postproduktion: Katja Grundmann
Videodrohne:
Andreas Tamme und Hans-Jürgen Wege (tonwert21)
Fotografie:
Andreas Tamme und Hans-Jürgen Wege (tonwert21),
Katja Grundmann, Michael Behns, Hans-Joachim Boldt, Dennis Thomas